Irkeschtam-Pass: Von Kirgisistan über die Grenze nach China

Die Situation in Xinjiang ist nach wie vor angespannt, weshalb die chinesischen Behörden ausländischem Besuch nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Das macht auch die Grenzüberquerung nicht unkompliziert. Wir benötigten für die Grenzformalitäten, die zahlreichen Checkpoints und Kontrollen rund 7 Stunden.

Anmerkung: Unser Bericht ist diesmal etwas ausführlicher, weil wir denken, dass er auch für andere Reisende, die diese Route wählen hilfreich sein kann.

Die chinesische autonome Region Xinjiang im Westen von China wird sowohl von den Uiguren anderen muslimischen Minderheiten als auch von Han-Chinesen bewohnt. Dies führt immer wieder zu ethnisch-religiösen Spannungen. Als bekannt wurde, dass die chinesische Regierung rund eine Million Uiguren und andere Angehörige von Minderheiten in sogenannten „Bildungszentren“ festhält kam die Region auch international zu trauriger Berühmtheit. Die Region ist für die chinesische Regierung ein sensibler Bereich und die Einreise würde nicht einfach werden. Reisende haben von vielen Checkpoints, langen Befragungen, Durchsuchungen ihrer Computer und Smartphones und der Installation von Spyware berichtet. Daher war unsere Vorfreunde auf die Einreise in diesem Teil von China beschränkt. Trotzdem blieb es der sinnvollste Weg für uns, um von Zentralasien nach Pakistan zu gelangen.

Abschied aus Kirgisistan 

Wir begannen unsere Reise Richtung Grenze vom kleinen Dorf Sary-Tashwo wir unsere letzte Nacht in Kirgisistan verbrachten. Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns noch schnell von unseren Freunden Lena und Tjerk, während unser Gastgeber bereits im Auto wartete, um uns über den kirgisischen Teil der Grenze zu bringen.

Border crossing from Kyrgyzstan to China
Border crossing from Kyrgyzstan to China
Border crossing from Kyrgyzstan to China

Nachdem wir einige Zeit durch die schneebedeckte Berglandschaft fuhren und das letzte kleine kirgisische Dörfchen hinter uns zurückließen, kamen wir zum ersten Checkpoint. Die Grenzbeamten kannten unseren Fahrer, warfen daher nur einen kurzen Blick auf unsere Pässe und winkten uns durch. Wir zogen vorbei an einer endlosen Schlange von wartenden Lastwägen und kamen zum ersten größeren Grenzgebäude. Dort mussten wir austeigen, um unsere Ausreisestempel zu bekommen, während wir unser Gepäck im Auto lassen konnten. Nach 5 Minuten waren wir fertig und saßen wieder im Auto.

Nach einigen Kilometern kamen wir zu einer Hütte mit einem bewaffneten Soldaten, wir waren am Ende des kirgisischen Territoriums angelangt. Unserer Fahrer sagte uns, dass wir nun auf uns selbst gestellt waren und verabschiedete sich. Wir folgten der sich bergauf schlängelnden und mit Stacheldraht eingezäunten Straße einen halben Kilometer. Oben angekommen stießen wir auf eine weitere Schlange Lastwägen.

An der chinesischen Grenze

Der erste chinesische Checkpoint, war ein in Stacheldraht eingehülltes Zelt in dem zwei Soldaten mit Maschinengewähren postiert waren. Wir zeigten ihnen unsere Pässe, danach durften wir weitergehen.

Nach 150 Metern kamen wir zu einem Grenzposten, der den Verkehr regelt (chinesischer Checkpoint Nummer 2). Die Grenzbeamten prüften unsere Pässe und erklärten uns, dass wir auf einen Transport warten müssen. Momentan ging der Verkehr Richtung Kirgisistan, während die Autos Richtung China warten mussten. Der chinesische Grenzposten ist mit dem Slogan „sunshine service“ beschriftet und während wir warteten begann die Sonne tatsächlich so stark zu scheinen, dass wir unsere Jacken ausziehen mussten. Nach einiger Zeit kam auch eine Gruppe Han-Chinesen zum Grenzposten. Kurz darauf kam ein Minibus und wir wurden angewiesen einzusteigen.

Erste Gepäckkontrolle und Befragungen

Nach einiger Zeit erreichten wir eine großes Grenzgebäude (Nummer 3) und wurden in den Warteraum geschickt. Die Gruppe Chinesen konnten nach kurzer Zeit durch die weiteren Kontrollen gehen, während wir unsere Pässe aushändigen und weiter warten mussten.

Einige Zeit später war es soweit, wir mussten unsere Schuhe ausziehen und unser Gepäck durch den Scanner schicken. Danach kamen wir zu einem Tisch, wo Johanna als erste gebeten wurde ihren Rucksack auszupacken. Gleichzeitig wurden mithilfe eines Übersetzungsgerätes unser persönlicher Hintergrund und Reisepläne abgefragt. Die Grenzbeamten warfen einen Blick auf Johannas iPad, nach kurzer Zeit fragten sie aber nach unserer Kamera. Wir schauten gemeinsam die letzten Bilder unserer Reise aus Kirgisistan an (der Rest war sicher in der Cloud geparkt). Mindestens dreimal zeigten die Grenzbeamten auf ein Bild und fragten „Usbekistan?“, was wir immer verneinten und mit dem richtigen Ort beantworteten. Einfacher wäre es gewesen in unserem Pass zu schauen, ob wir einen usbekischen Stempel darin haben.

Danach fiel das Interesse der Grenzbeamten auf meinen Computer und sie fragten was ich damit mache. Ohne nachzudenken antwortete ich schreiben, lesen und Internet, zugegeben eine der am schlechtesten möglichen Antworten in dieser Situation. Tonfall und Geschwindigkeit änderten sich abrupt in Richtung eines Verhörs und die Übersetzungen funktionierten auch nichtmehr richtig: „Will you write something after leaving China?“, „What do you read without internet?“. Eingeschüchtert versuchte ich nun zu erklären, dass wir lange Zeit reisen und deshalb Emails schreiben und für die Weiterreise recherchieren müssen. Ein weiterer Beamte kam zu uns und es schien als sagte er den anderen sich zu beeilen. Johannas kompletter Rucksackinhalt war über den Tisch verteilt, plötzlich sagten uns die Beamten wir sollen weitergehen, meinen Rucksack ignorierten sie nun. Wir wurden in einen großen Raum mit anderen Ausländern geschickt. 

Im Touristenbus

Nach dem wir wieder einige Zeit warten mussten, wurden alle angewiesen in einen Reisebus zu steigen der draußen geparkt war. Der Bus würde mit uns durch alle Checkpoints bis nach Kashgar fahren. Bevor es losging, musste jede Person 200 yuan (ca. 25€) zahlen. Wir fuhren nicht weit, den nach kurzer Zeit kam bereits ein weiterer Checkpoint (Nummer 4). Diesmal ging es schneller, die Pässe wurden gecheckt und kurze Fragen gestellt. Danach folgte der Bus für eine Stunde dem Verlauf der Straße durch die trockene felsige Landschaft (das chinesische Grenzgebiet ist riesig).

Der Chinesische Zoll

Endlich kamen wir an den Toren der eigentlichen Zollkontrolle (Nummer 5) an. Da es auf der chinesischen Seite jeden Tag 3 Stunden Mittagspause gibt, mussten wir noch 20min im Bus warten. Um 16:00 (Peking Zeit) öffnete das Tor und der Bus parkte neben dem Terminal. Wieder einmal wurden wir in eine Wartezone gesetzt (mittlerweile kannten wir schon das chinesische Schriftzeichen für Wartezone). Migrationskarten wurden an alle Leute verteilt. Während wir damit beschäftigt waren diese auszufüllen sprach uns ein freundlicher junger Mann in modern-legerer Kleidung an. Er war von der chinesischen Staatspolizei und wollte sich ein bisschen über unseren Besuch in Xinjiang und unsere Reiseroute unterhalten. Nachdem wir ihm sagten, dass wir nach Pakistan weiterreisen und unsere Visa schon haben, stellte er sich den nächsten Personen vor. 

Endlich ging es weiter und wir wurden zum Scannen unserer Gesichter und Fingerabdrücke geholt. Johanna war wieder als erstes an der Reihe, nach den Scans bekam sie ihren Einreisestempel (yay!) und wurde weiter zum Scannen ihres Gepäcks geschickt.

Nun war ich an der Reihe und wartete am Schalter aber das Gerät wurde nicht gestartet. Stattdessen bat mich einer der Grenzbeamten freundlich, aber bestimmt ihm ins Vernehmungszimmer folgen. Johanna beobachtete das Geschehen von der anderen Seite und wurde etwas nervös. Ich musste in einer der Sitznischen Platz nehmen, während der Beamte meinen Pass seinem Kollegen zur Durchsicht gab. Kurze Zeit später kam er mit dem Übersetzungsgerät wieder und die Befragung konnte starten: „Where are you from? “(Hätte er eigentlich auch auf meinem Pass lesen können den der Kollege untersuchte), „Austria, Euuuurope, Vieeenna“ (Um wiederholte Verwechslung mit Australien auszuschließen). Der Beamte verließ den Raum erneut und signalisierte mir zu warten.

Nach einigen Minuten wurde ich wieder zum Scanner gebracht: „What is your profession?“. Da ich mittlerweile schon Erfahrung in der Beantwortung dieser Frage gesammelt hatte, versuchte ich sie so zu beantworten, dass nicht viele weitere Fragen folgen: „Social worker, I work with youth“. Die Beamten nickten: “Ahh, you want to volunteer?“. Ich antwortete mit einem kurzen: „No thanks, I‘m on a holiday!“. Der Scanner startete und gab die Anweisungen diesmal in deutscher Sprache aus. Wir sind uns nicht sicher ob der Grund der Extrabefragung war, den Scanner auf die richtige Sprache einzustellen. Endlich waren auch meine Scans erledigt. Ich bekam meinen Einreisestempel und durfte nun auch zum Gepäckscanner weitergehen. 

Während Johanna ihren Plastik-Göffel (Eine Mischung aus Gabel und Löffel und in unserem Fall Buttermesser) aus dem Gepäck holen musste um zu beweisen, dass es sich nicht um eine gefährliche Waffe handelt und zwei Birnen weggeben musste, schenkte (wieder) niemand meinem Gepäck und dem tief verstauten Leatherman Aufmerksamkeit.

Wir gingen raus und mussten einen weiteren Checkpoint durchqueren (Nummer 5). Danach verließen wir den Hauptteil des Grenzbereichs und befanden uns auf der Straße nach Kashgar. Natürlich kamen nach einiger Zeit noch zwei weitere Checkpoints (Nummer 6&7), aber wir mussten nichts machen, außer unsere Pässe herzuzeigen und zu warten. Nachdem wir am Stadtrand waren, endete die Busfahrt Mitten im nirgendwo. Und wir dachten mit 200yuan wäre der Weg bis in die Stadt erledigt.

Auf der Suche nach dem Hostel

Wir redeten mit den anderen Fahrgästen aus dem Bus, die ebenso überrascht an der Autobahn standen. Zwei israelische Mädels hatten auch dasselbe Hostel gebucht wie wir, was keine große Überraschung war, da es nur 3 Unterkünfte für Ausländer in Kashgar gab und eine davon in Winterpause war. Wir entschieden uns ein Taxi zu teilen, wobei davor das erste Problem war, an diesem Ort eines zu finden. Das zweite Problem war, dass es verschiedene Adressen für das Hostel gab. Es stellte sich heraus die beiden Adressen falsch bzw. nichtmehr aktuell waren.

Als wir die erste Adresse erreichten standen wir vor einem verlassenen Gebäude. Eine junge Frau kam zu uns und erklärte uns mit Händen und Füßen, dass das Hostel umgezogen und schwer zu finden sei. Sie schlug vor sich mit uns ins Taxi zu quetschen, um uns dorthin zu navigieren. Unsicher ob es sich um eine Form von Abzocke handeln könnte, begann eine chinesisch-englische Diskussion zwischen uns, den israelischen Mädels, der Taxifahrerin und der vermeintlich hilfreichen Frau. Letztendlich entschieden wir uns Sie zu uns ins Taxi steigen zu lassen. Nach einiger Zeit erreichten wir das Hostel, welches wir niemals ohne ihre Hilfe gefunden hätten, da es von außen unscheinbar und nur in chinesischen Schriftzeichen gekennzeichnet war. Wir boten an der Frau das Taxi zurück nach Hause zu zahlen, aber sie lehnte das Angebot ab lächelte und sagte: „Welcome to Kashgar“

Tipps, um über den Irkeschtam Pass von Kirgisistan nach China zu kommen:

  • Es ist möglich von Sary-Tash zur Grenze autozustoppen oder einen Transport zu arrangieren. Der Besitzer des Pamir Extreme Guesthouse kann euch weiterhelfen.

  • Die Grenzformalitäten und Wege dauerten ca. 7 Stunden, rechnet für die ganze Reise von Sary-Tash bis Kashgar 9-10 Stunden.

  • Die Grenze ist von Montag bis Freitag geöffnet aber an Feiertagen geschlossen – macht euch im Voraus schlau.

  • Die Grenze öffnet, soweit wir wissen, um 9:00 (kirgisische Zeit). Versucht früh dort zu sein, die Grenze schließt um 19:45 (Pekingzeit). Zwischen 13:00 und 16:00 gibt es auf der chinesischen Seite eine Mittagspause (ev. Abweichende Zeiten je nach Jahreszeit. Falls es spät wird und ihr über Nacht hängen bleibt, gibt es angeblich ein Hotel nach dem chinesischen Zoll.

  • Wechselt chinesisches Geld bevor ihr zur Grenze kommt (z.B. in Osch). Ihr braucht zmindestens 200 yuan für den Bus (Stand Oktober 2019) und Geld für das Taxi in die Stadt.

  • Nehmt ausreichend Wasser und Snacks mit, es wird ein langer Reisetag.

  • Es ist hilfreich eine Buchung für Kashgar zu haben. Haltet zumindest die Adresse eines Hostels (das Ausländer akzeptiert) bereit.

  • Nehm einen Ausdruck eures pakistanischen Visums mit falls ihr nach Pakistan weiterreist. Es wird euch einige Fragen zu euren Reiseplänen in Xingjiang ersparen.

  • Seit euch bewusst, dass (Taschen-)Messer in Xinjiang nicht erlaubt sind, und daher, wenn sie gefunden, konfisziert werden

  • An der Grenze wird sehr wahrscheinlich der Inhalt auf euren Laptops/Kameras/Smartphones gesichtet – Fotos sind von besonderem Interesse! Auf unseren Geräten wurde keine Spyware installiert.

  • Auch die Titelseite eines Buches wurde fotografiert und übersetzt – für den Fall, dass ihr „verdächtige“ Literatur habt ;)  

  • Obwohl die Situation für Reisende aus dem Westen ungewöhnlich ist, möchten wir hervorheben, dass das Grenzpersonal weitgehend freundlich und wohlgesonnen war – keine Angst!

  • Viel Spaß beim Überqueren der Grenze von Kirgisistan nach China!

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2 thoughts on “Irkeshtam Pass: Crossing the border from Kyrgyzstan to China”

  1. thanks for such a detailed post about this border crossing, one im hoping to do once travel is possible… well probably not until 2022 at least but then im spending a lot of time dreaming right now…

    1. Hi Andrew, thanks for your comment! We are happy if we could help you plan your trip – that’s one of the main reasons we started to write this blog! 🙂 Let’s hope you can do your trip in 2022! Now that we all have to have a little break from traveling, at least we have time to plan and dream of future trips 🙂

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